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Die große Welt in ganz klein entdecken


Hase und Igel im Miniaturwunderland_1Das Wasser und das sprechende Schiff im Hamburger Hafen lagen nun hinter uns. Wenige Schritte weiter standen sehr, sehr viele Menschen vor einer großen Behausung, die aus unzähligen kleinen braunen Steinen gebaut war. Die Wände hatten viele kleine Fenster und Buchstaben in güldener Schrift prangten hoch oben an ihnen. Ganz oben am Dach hingen lustig aussehende Teile mit einem Strick und einem gebogenen Haken. Es waren Seilzüge, wie wir später erfuhren, mit denen früher die Warenpakete und Säcke aus den Schiffen und Fuhrwerken entladen wurden.
Wir gingen auf die Leute zu und wunderten uns. Unser Mitbewohner nahm unseren Wohlfühlsack von der Schulter, in dem wir immer so toll den Überblick behalten konnten und erklärte uns: "Ihr beiden Schlingel werdet in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren die Welt entdecken. Wir gehen jetzt in das ‚Miniatur Wunderland‘. Das ist unsere große Welt in ganz klein. Schaut aufmerksam hin. Vieles von dem was ihr hier seht, werdet ihr bald auch in groß sehen."

Während wir die Treppen in diesem Haus nach oben stiegen, schauten Hase und ich uns an und wir hatten sicher dieselben Gedanken: ‚Die Welt gibt es auch in klein? Wie soll das gehen? Worauf sollen wir achten?‘

Hase und Igel im Miniaturwunderland_1An einer geöffneten Tür angekommen, empfing uns eine sehr freundliche Dame: "Haben Sie reserviert? Wenn nicht, gehen sie bitte in den Warteraum". Wir mussten auf die Welt warten!? Das war unverständlich für uns und es konnte keiner wissen, was uns beiden da so durch unsere kleinen Köpfe schoss. Eine andere behilfliche Frau betrat den Raum und berichtete von alternativen Wartemöglichkeiten. Das hieß, entweder warten oder wiederkommen um die Zeit zu überbrücken. 'Wir wollen die Welt sehen! Wir wollen, wir wollen!' - Unsere Gedanken nutzten uns nichts, denn die Mitbewohner beschlossen, dass 45 Minuten Wartezeit noch in Ordnung seien. Uns fragte natürlich keiner, aber wir waren ja im Wohlfühlbeutel und hatten es kuschlig und warm. Gut - noch einmal nachgedacht - Zeit hatten wir genug.

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‚Uns wird in den nächsten Jahren die Welt gezeigt und wir sehen sie heute schon in ganz klein‘, schoss es dauernd durch meinen Kopf.  In meinen Stacheln kreisten Bilder von riesigen Rüben- und Wurzelfeldern, Heidekraut, den freundlichen Rehen am Feldrand, den Menschen, die ab und zu mit ihrer Kutsche vorbeifuhren oder das Stroh auf den Feldern zu Verstecken aufstellten. Auch das Erlebte der letzten Tage war in meinen Gedanken. ‚Alles ist irgendwie neu und ganz anders in dieser jetzigen Welt. Was wird uns erwarten…?‘ Hase war schon gar nicht mehr ansprechbar. Verdrehte Augen und verknotete Ohren zeugten von unbändiger gedanklicher Aktivität.
Gefühlte Stunden später war es soweit - wir durften rein - rein in die kleine Welt.

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Oh, oh! Offensichtlich war der Tag falsch gewählt, denn aus der Miniwelt wurde eine Maxiwelt. Ich glaubte, dass alle Menschen der großen Welt hier um das herum standen, was wir erkunden sollten und nun endlich auch wollten. Wir waren sooo gespannt auf das Neue!
 "Hab‘ ich doch gesagt, heute können unsere beiden kaum einen Blick erhaschen, geschweige etwas Richtiges lernen. Schade! Aber wir besuchen das Wunderland noch einmal, wenn nicht so viele Besucher da sind. " sagte unsere Mitbewohnerin etwas enttäuscht, während sie uns dabei ansah. ‚Egal‘, dachten wir, ‚mit etwas Geduld können wir bestimmt so einige schöne Dinge entdecken. Wir sind doch klein und können bestimmt zwischen den großen Menschen ein gutes Plätzchen finden.‘

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Hase und Igel im Miniaturwunderland_4 Hase und Igel im Miniaturwunderland_4So stürzten wir uns in das große Gewusel. Wir erhaschten die ersten Blicke auf eine kleine Welt mit und im Wasser. Im Nass schwammen viele verschiedene farbenreiche Schiffe; sie waren jedoch viel, viel kleiner als da am Zollkanal und sprachen nicht. Waren sie nur winziger oder sahen sie wirklich irgendwie anders aus? Wir wurden uns nicht recht einig.
 Plötzlich neigte sich unser Mitbewohner zu uns runter und sagte: "Seht ihr das weiße Schiff mit den bunten Lettern? Demnächst werdet ihr zwei von denen im Hamburger Hafen besuchen." Seine Augen funkelten bei diesen Worten. Was er jedoch damit meinte, hatte er wie immer, wenn wir überrascht werden sollten, nicht gesagt. Fest stand, auf diesem kleinen Schiff, welches wir gerade sahen, hätten nicht einmal wir beiden Platz gehabt, unsere Mitbewohner erst recht nicht. Wir mussten wohl abwarten…

Auf einmal war Hase verschwunden und unsere Begleiter hatten kurzzeitig ihr Lachen verloren. Sie schauten böse und enttäuscht um sich. ‚Hase ist weg! Hase ist weg!‘ - es schien, als wäre es den Beiden auf der Stirn geschrieben gewesen. Wir sahen uns um. Unser Langohr sahen wir nicht, aber viele Menschen, die vor einer Brücke zusammenstanden und emsig Bilder machten. Bei genauerem Hinsehen erkannten wir auch den Grund. Hase saß freudestrahlend am Fuß der Brücke und hatte die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich gezogen. Er war wirklich stolz wie Oskar und hätte sicher noch Stunden dort sitzen können. Leider blieb sein Wunsch unerfüllt, wir wollten weiter...

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Unerwartet wurde es schwarz um uns, schwarz, wie in der tiefsten Nacht. Das Licht war aus. Wir erschraken uns, denn im Dunkeln konnten wir doch nichts sehen! Aber bevor Hase aus Angst seine Ohren verknoten konnte, begann alles um uns herum zu blinken und zu leuchten. Behausungen, Autos, eben alles, was da so in Klein stand leuchtete in bunten Farben. Er sprang in einem Satz von der Brücke in unseren Beutel. Es war ihm wohl doch zu unheimlich. Armer Kerl, aber im Beutel war er sicher!
So schnell es dunkel geworden war, wurde es überraschend wieder hell. „Tag und Nacht kann das nicht sein, das ging viel zu schnell“, meinte Hase ängstlich vor sich hin brummend.

Und da! Endlich! Wir sahen Berge, richtige Burgen, Wiesen, Felder und Tiere, wie wir sie schon erleben durften. Ganz klein war alles was wir sahen in diesen Räumen und dadurch konnten wir uns vorstellen, was ‚die Welt in ganz klein‘ bedeutete. Ich sah, wie winzig das Gras und das Reh war und als ich an das weiße Schiff dachte, ahnte ich nicht, wie riesig dieses im Hafen sein musste. ‚Gibt es so große Schiffe?‘ Ich konnte es mir mit keinem Stachel vorstellen.

Und noch etwas Bekanntes! Die S-Bahn, mit der wir am Morgen nach Hamburg gefahren waren, war auch ganz winzig. Sie fuhr durch die Häuserreihen, die ebenfalls so klein waren, als wären diese Behausungen für Flöhe.
Mein kleiner Kopf begann zu schmerzen. Die Eindrücke waren einfach zu viel. Ich brauchte eine Pause und schaute unseren Mitbewohner entschlossen an. Er verstand meinen Blick sofort und wir gingen ein Stockwerk hinunter in eine Gastwirtschaft.

Noch gar nicht ganz dort angekommen stand vor uns ein Mädchen mit leuchtenden Augen und begrüßte uns herzlich. Wir wussten nicht genau, was mit uns geschah, denn dann umarmte sie uns fest und sie gab jeden von uns einige Küsschen. Ja, sie hatte uns erkannt – Lilly, unser erster Fan! Wir werden hierüber noch einmal berichten, wie das so ist, wenn man erkannt wird.  Jedenfalls war es herrlich! Das mag schon mal vorweg verraten sein.

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Die beiden Großen holten sich Kaffee und eine Schale mit hellbraunen Stäbchen. Kaffee kannten wir schon von zu Hause und die Stäbchen? Die kannten wir nicht. Aber erratet ihr es? … das waren in Streifen geschnittene, gebratene Kartoffeln. Sie nannten das ‚Pommes Frites‘. Hase und ich durften davon probieren. Das war schon sehr lecker, doch Hase flüsterte mir zu: „Eine Möhre – nur eine Möhre, das wäre jetzt toll.“ Doch leider gab es dort keine Möhrchen und so naschten wir weiter von den gülden schimmernden Stäbchen...

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Wir erholten uns schnell und bald schon ging es wieder die Treppen hinauf. Hier war also wieder alles anders. Dieses Mal sahen wir Vögel mit Rädern, die hin und her fuhren. Wir waren mittlerweile schon sehr geübt im Nachfragen. So wurde uns flink erklärt, dass wir hier am Flughafen von Knuffingen seinen, die Autos ja schon kennen würden und die Vögel mit Rädern Flugzeuge genannt werden. Flugzeuge sind wie Züge, sie transportieren Menschen und Güter, jedoch nicht auf Schienen, sondern durch die Luft.  Hase verstand das sofort: „Aha, das sind also die Flugdingens, die über unserer Stadt Buxtehude, wie die Vögel fliegen. Die müssen wir auch mal erkunden, Igel! Was meinst du dazu?“ Ich nickte nur.

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Es war keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn die Mitmenschen, die in der Miniwelt arbeiteten, erwarteten uns. Frederik erklärte uns: „All das hier funktioniert mit Strom und Computern. Wir zeigen Euch einmal wer hier noch arbeitet und von wo aus das alles hier gesteuert wird. Schaut hier die vielen, großen Monitore, die unzähligen Schalter und…“ Wir konnten den Ausführungen nicht mehr folgen, denn wir waren müde -  sooo müde, dass uns beiden kleinen mitten in seiner Erklärung die Augen zu fielen…

So ging ein Tag im Miniatur Wunderland in Hamburg für uns zu Ende. Zu Hause wurde uns am nächsten Tag versprochen, noch einmal diese Behausung mit den güldenen Lettern zu besuchen – Die große Welt in ganz klein.